Behandler und Autor: Marco Richter
Ausgangssituation
Ein Klient meldet sich bei uns, weil er unter einer Sozialen Phobie und einem vermindertem Selbstwert leidet. Er fühlt sich in Gegenwart anderer Menschen beobachtet und bewertet. Dies im beruflichen und privaten Bereich. Der Klient entscheidet sich nach einem Vorgespräch für eine Hypnosetherapie bei uns in Bremen.
Der Klient arbeitet in einer verantwortlichen Stellung in einem großen Unternehmen. Fachlich kann er sich sehr gut mit Kollegen unterhalten, Gespräche über Privates fallen ihm aber schwer. Auch die Betreuung von Kunden auf sozialer Ebene bereitet ihm Unwohlsein. Geht er mit Kunden z.B. zum Abendessen, spürt er oft eine innere Unruhe und findet Smalltalk eher schwierig.
Der Klient ist Anfang 40 und hatte bisher noch keine Beziehung. Obwohl er sich dies sehr wünscht, ist ein kommunikativer Austausch mit einer Frau für ihn sehr anstrengend und angsterregend. Zu seinem Bedauern vermeidet er daher den Umgang mit Frauen.
Aus der Historie des Klienten geht ein zwar sehr gebildeter, aber cholerischer Vater hervor. Der Klient erinnert sich, dass der Vater ihm oft schulische Themen sehr kompliziert erklärte. Der Klient entwickelte früh eine Angst, beim Vater nachzufragen wenn er etwas nicht verstanden hatte.
1. Hypnosesitzung
Der Klient ist vor der ersten Sitzung angespannt und fragt sich, wie sich eine Hypnose anfühlen wird. In der Hypnoseeinleitung braucht der Klient eine Weile, um sich fallen lassen zu können. Dies gelingt dann aber und der Klient geht in eine tiefere Trance.
Rückführung (Hypnoanalyse)
Erlebte Situationen
Für die erste Sitzung plane ich eine Hypnoanalyse, um eine mögliche Ursache der Schüchternheit und des geminderten Selbstwerts zu erforschen und zu bearbeiten.
Der Klient sieht sich in der Trance in einem Wald, der immer dichter wird, je weiter er geht. Er äußert, dass er sich „beklemmt“ fühle. Dann begegnet der Klient einem Wesen, das wie ein Troll aussieht. Ich suggeriere dem Klienten, dass dieses Wesen seine Schüchternheit und seine abwertenden Gedanken über sich selbst auslöst. Der Klient empfindet daraufhin Ärger und Wut.
In einer spontanen Rückführung wird dieses Gefühl in eine Situation zurückverfolgt, in der der Klient dies so schon einmal gespürt hat. Er kommt sehr schnell in die folgende Situation, die er erlebt, als wäre er noch einmal da:
Er ist 18 Jahre und geht an einem Nachbarn vorbei. Er will mit dem Nachbarn ins Gespräch kommen, findet aber keinen Weg sich auszudrücken. Dies macht ihn wütend auf ihn selbst, dazu fühlt er sich grundsätzlich „mies“.
Da in diesem Moment davon auszugehen ist, dass dieses Gefühl in dieser Situation nicht zum ersten Mal auftritt, lasse ich dieses „miese“ Gefühl weiter zurückverfolgen. In einer weiteren Rückführung ist der Klient sofort 7 Jahre und mit seinem Vater sowie seinem älteren Bruder in einem Raum. Der Vater diskutiert mit dem Bruder. Der Klient spürt eine Angst, dass der Vater cholerisch werden könnte. Er würde sich gerne an dem Gespräch beteiligen, seine Angst hält ihn aber davon ab, so dass er sich zurückzieht.
Auflösung der Ursache
Es ist jetzt davon auszugehen, dass diese oder ähnliche Situationen bei dem Klienten den folgenden Glaubenssatz gebildet haben: „es ist besser und sicherer, sich an Diskussionen und Gesprächen nicht zu beteiligen. Menschen bewerten mein Verhalten und bestrafen mich dafür“.
Dieser Glaubenssatz scheint im Unterbewusstsein des Klienten tief abgespeichert und wirkt noch heute in sozialen Situationen.
Zum damaligen Zeitpunkt, als kleiner Junge, war dieser Gedanke wahrscheinlich richtig, denn der Junge sah für sich die Gefahr, einem cholerischen Vater ausgesetzt zu sein.
Der Glaubenssatz wird deshalb in der Trance aufgelöst, indem der Klient im heutigen Alter in die Situation geholt wird. Er erklärt dem Jungen, dass diese Angst im späteren Leben nicht mehr nötig ist, weil es im Erwachsenenalter keinen cholerischen Vater mehr gibt, dem man sich nicht entziehen kann.
Der Junge spürt in der Trance eine wesentliche Erleichterung und fühlt sich vom erwachsenen Anteil des Klienten geschützt und angenommen. Das Gefühl der Angst löst sich auf.
Aufgrund der intensiven Arbeit in der Hypnoanalyse dauert die Sitzung 1:56 h. Die Zeit war nötig, um die Ursache so weit wie möglich aufzulösen. Der Klient äußert, dass ihm die Sitzung wie 30 Minuten vorkam. Er empfand die Sitzung bis zur Auflösung als anstrengend.
Nach der Sitzung fühlt er sich erleichtert, ist müde und spürt Vorfreude auf das, was kommt.
Zum Abschluss der Sitzung üben wir eine einfache Form der Selbsthypnose.
Befund zur 2. Sitzung
Der Klient berichtet von einer Verbesserung der Symptome. Er konnte mit einigen Kollegen offener umgehen, offener das Gespräch suchen und hat am Feedback gespürt, dass dies positiv aufgenommen wurde. Eine Kollegin bestätigte die Verbesserung. Sie wusste von der Therapie.
Der Klient hatte aber auch Momente, wo er sich nicht gut fühlte und die Schüchternheit wieder durchkam.
2. Hypnosesitzung
Der Klient geht sehr viel schneller in eine tiefere Trance als in der ersten Sitzung.
In der Sitzung erlebt der Klient mehrere Methoden:
- Der sog. „Grau Raum“, wo er selbst agiert, indem er seine schüchternen Anteile sozusagen aussortiert.
- Die Yager Therapie, in der weiterhin ursachenorientiert gearbeitet wird.
- Eine Progression, in der er eine Situation im Büro erlebt. Ziel dieser Progression ist es, dass er diese Situation als sehr entspannt und selbstsicher erleben kann. Dies gelingt.
Dauer der Sitzung: 1:36 h
Der Klient zeigt eine teilweise hypnotische Amnesie, d.h. er erinnert sich an Teile der Trance nicht. Obwohl er die gesamte Trance über mit mir gesprochen hat.
Befund zur 3. Sitzung
Der Klient berichtet von einer fortlaufenden Verbesserung der Symptomatik. Ein Kollege sagte ihm gerade heute, dass er sich verändert hätte.
Als großen Schritt sieht er, dass er seine Nachbarin gefragt habe, ob sie ein Glas Wein mit ihm trinken will. Hieraus hat sich innerhalb weniger Tage eine Freundschaft entwickelt.
Der Klient drückt seine Freude über diese Entwicklungen aus. Er fragt sich aber, ob diese Entwicklung nachhaltig sein wird, oder ob er bald wieder in alte Muster fällt.
3. Hypnosesitzung
In dieser Sitzung arbeiten wir wieder mit der Yager Therapie und einer Progression. Zusätzlich mit der Methode des „Ungebetenen Hausgastes“. Mit dieser Methode erlebt der Klient, wie er sein Problem, seine Schüchternheit und Angst vor Beurteilung in fast spielerischer Form vertreibt.
In der Progression erlebt sich der Klient wieder bei der Arbeit, aber auch in einer sozialen Situation mit der Nachbarin. Bei dieser Arbeit liegt heute der Fokus auf dem Inneren Kritiker. Damit ist die Instanz gemeint, die den Klienten zweifeln lässt, ob die Verbesserung in seinem Erleben nachhaltig ist.
Die Sitzung dauert 1:40 h
Der Klient berichtet nach der Sitzung wieder von einer partiellen hypnotischen Amnesie. Er ist müde, sagt aber, dass er sich sehr zufrieden fühle.
Therapieergebnis
Der Klient meldet sich ca. eine Woche nach der 3. Sitzung. Er scheint in sehr guter Stimmung und berichtet, dass er sich jetzt getraut hätte, seiner Nachbarin seine Zuneigung zu gestehen. Diese habe darauf gewartet, so dass beide seit ca. 1 Woche ein Paar sind. Der Klient drückt aus, dass er sehr, sehr glücklich sei.
Der Klient sieht sich am Ziel der Therapie und bedankt sich. Weitere geplante Sitzungen sind nicht mehr nötig und werden storniert.
Hier erfahren Sie mehr über eine Hypnosetherapie bei Sozialer Phobie
Und hier ein weiterer interessanter Erfahrungsbericht auf Bild.de